Inspiration vom Laufsteg F/S 21

Vier zeitlose Marken im Rampenlicht

Welche Rolle kann die Haute Couture in der heutigen Welt, in der alles hinterfragt wird und nichts sicher ist, und deren Sinn uns manchmal entgeht, spielen? Zwischen Hoffnung, Lebenshunger und dem Bedürfnis nach mehr Optimismus enthüllen wir hier die Werte, die die Kollektionen Frühling-Sommer 2021 von vier berühmten Marken inspiriert haben: Valentino, Kenzo, Etro und Chloé.

Valentino, eine Ode an die Menschlichkeit

Am 26. Januar präsentierte Pierpaolo Piccioli, der künstlerische Leiter des Hauses Valentino, seine neue Kollektion mit Namen Code Temporal im prunkvollen Sala Grande der Galleria Colonna in Rom. Bestehend aus 73 Silhouetten erkundet die Kollektion die Idee der Zeitlichkeit in einer atemberaubenden, digitalen Modenschau, die von der Musik des Künstlers der Gruppe Massive Attack, Robert del Naha, ins rechte Licht gerückt wurde. Die Linie, die als wahre Hommage an die Rituale und zeitlosen Werte der Haute Couture gedacht ist, zelebriert vor allem den Menschen und seine Arbeit, den Geist, der hinter den Kreationen steht und die Hände der Arbeiter, die unermüdlich an ihrer Verwirklichung arbeiten… Ja, die Haute Couture hat Sinn, und ganz besonders in der Zeit, in der wir leben! Die in einem opulenten Dekor der Renaissance vorgestellten Schnitte sind grösstenteils schlicht und minimalistisch, und sind sowohl für besondere Gelegenheiten (der Tag wird kommen!) wie für den Alltag gedacht. Auch wenn die Palette hauptsächlich neutral bleibt, wagt die Marke einen Spritzer avantgardistische, frische Farbe wie Apfelgrün und besonders Fuchsia, die auf der rosa Trendwelle surft. Hauptsächlich aus edler Seide und Kaschmir finden wir in der Kollektion auch einige Tupfer Gold in Form der Tasche Supervee und dem Armband Rockstud.

Kenzo, der Ruf der Zerbrechlichkeit

Wie Designer Felipe Oliveira Baptista selbst zugibt, sind „die Referenzen, Ideen und Konzepte der Kollektionen [Frühling-Sommer 2021] genauso eklektisch, unterschiedlich und kontrastreich wie die Gemütszustände, die [er] seit Beginn der Pandemie durchlebt […] Die Kleidung ist wandelbar, und passt sich an die Situationen an“. Die in üppiger Natur in Paris vorgestellte neue Kollektion von Kenzo mit Namen Bee a Tiger erregt die Gemüter mit poetischer Eleganz und dem Charme von Workwear, die besonders von der Welt der Imker inspiriert ist. Die Bienen, Beschützerinnen der Blüten, der Welt und des Lebens inspirierten ihn dabei zu Blütenmotiven, die mit den ikonischen Motiven der Marke, die manchmal neu interpretiert werden, Hand in Hand gehen. Das Ganze bildet ein sonniges, bukolisches und aufrichtiges Ensemble. Sie geben in dieser Linie mit ausdrucksstarkem Namen, die unsere Grenzen und Schwächen, sowie die aktuelle Notwendigkeit der Distanz erkundet, den Ton an. Hüte mit breitem Rand und geblümtem Schutzschleier, der an die Arbeitskleidung der Imker erinnert, bedecken die Köpfe. Die Kleidung ihrerseits macht sich bequem und nimmt Utility-Looks an. Leggings, Regenmäntel, T-Shirt-Kleider und Tuniken, zeigen sich in knalligen Farben von Gelb und Blau bis hin zu Flieder und Mintgrün.

Etro, eine Einladung zum Reisen

Escale sur la Riviera, oder die Mode wie eine Einladung auf eine Reise… In dieser neuen Kollektion erobert Veronica Etro, die Kreativdirektorin der Marke Etro, die italienischen Küstenlandschaften mit nautischen Themen wie Seilmotiven, Seeketten und Streifen. Dabei schöpft sie in den Fresken italienischer Paläste und den Archiven des Hauses Inspiration, um das künstlerische und kulturelle Erbe ihres Landes zu Ehren, erfindet aber auch den Paisley-Print neu, für den das Haus bekannt ist, und zeigt ihn in einer neuen einfarbigen Version. Bunt, fliessend und immer Elegant knoten wir die bedruckten Hemden lässig um die Taille, während die Kleider mit Halstuchprint, die im Mittelpunkt der Kollektionen stehen, sich mal lang, mal als Hemdkleid zeigen. Die Modelle bezaubern mit unwiderstehlich spritzigen Farben: Zitronengelb, Türkis, Lachsrosa oder Lavendel. Eine Linie im schicken Geist mit einem Hauch lässiger Ironie…

Chloé, wahrer Hoffnungsschimmer

Bei Chloé sorgten am 1. Oktober 2020 im Palais de Tokyo in Paris drei riesige Bildschirme für eine realitätsgetreue und gleichermassen körperliche Show. Während einige Mannequins traditionell über den Laufsteg schwebten, erschienen andere simultan auf dem Bildschirm, wobei sie durch die Strassen der Stadt bis zum Palast wandelten, und somit die Blickwinkel vervielfältigten. A Season In Hope präsentiert nämlich eine Überlegung über Intimität und Selbstverwirklichung in der Welt, die uns umgibt. Die seit 2017 tätige künstlerische Leiterin Natacha Ramsay-Levi enthüllt uns 37 romantische Boho-Silhouetten, die sich zeitloser und minimalistischer zeigen, wie dieser Cardigan mit klaren Linien, dieser pastellige Pullover aus Wolle und Seide oder die ausgestellte Hose – echtes Lieblingsstück der Designerin. Dabei nicht zu vergessen auch die unumgängliche „Arty“-Referenz, die die Modelle des Hauses bereits seit 1970 auszeichnet… Diese Saison zollt die Marke der amerikanischen Künstlerin und Aktivistin Corita Kent mit fünf Serigraphien, die auf die verschiedenen Stücke der Kollektion gedruckt, gestickt oder gewebt sind. (Zier-)Krägen im Stil Art Nouveau, die einige der Kleider oder Pullover zieren, sind auch nicht zu vernachlässigen. Eine Kollektion, die wie „frische Luft“ laut Natacha Ramsay-Levi für „ein süsses Gefühl der Leichtigkeit sorgt, voller verträumter Poesie, die aber in der Realität verankert bleibt, in der wir leben“.

18/02/2021